Pete´s Surf Diaries: How has it come to this?

Zum Autor:
Pete ist Camp & Surf School Manager und seit Tag eins bei Mellowmove in Portugal dabei. Er ist im Süden Deutschlands aufgewachsen und lebt seit vielen Jahren an der portugiesischen Küste. Seine Beziehung zum Surfen, und wie es sich auf sein Leben auswirkt, fasst er gene in geschriebenes Wort. In unserer Blogkategorie “Pete´s Surf Diaries” kannst du in seine Gedankenwelt eintauchen…

Wie bist du denn zu dem allen gekommen?

Diese Frage wird mir wöchentlich von unseren Gästen im Camp gestellt. Aber auch weit weg vom Surfcamp-Alltag bin ich plötzlich der Mittelpunkt eines jeden Gesprächs, wenn Leute mich im Rahmen eines Smalltalks fragen, was eigentlich mein Beruf ist und wo ich wohne. Ich bin der Exot. Einer, der einen anderen Weg ging als die meisten. Dabei fühle ich mich gar nicht so anders!

Dies nahm ich dann irgendwann einmal zum Anlass, tief in mir selbst zu ergründen, warum ich eigentlich nun hier in Portugal wohne und dem Surfen mein Leben verschrieben habe. Warum war ich damals bereit, meinen Job aufzugeben, meine Freunde und Familie zu verlassen und in Richtung Westen zu ziehen, um die Wellen meiner Glückseligkeit zu finden? Die Antworten, die ich fand, waren faszinierend und begleiten mich noch heute. Sie werden allgegenwärtig bis an mein Lebensende sein.

Eigentlich begann alles in meiner Kindheit. Ich war ein neugieriger kleiner Junge, recht pflegeleicht, ruhig und ausgeglichen. In der Schule war ich immer durchschnittlich gut. Es war mir zu eintönig, zu gleichförmig, zu nutzlos. Ich begriff schnell, dass ich in Dingen, die mich fesselten und interessierten, auch sehr gut wurde. Doch leider fand ich diese Dinge in der Schule nie. Zum Ende meiner Schulzeit wurde es ernst: Was willst du beruflich machen? Beamter oder so etwas? Das ist sicher, und man verdient gut. Mir war das immer egal!

Ich stellte mir nie die Frage, wie viel ich verdienen will. Viel mehr ging es mir darum, etwas zu finden, was ich mindestens vierzig Stunden in der Woche tun möchte, ohne dass es mich langweilt.
Es gab nur zwei Dinge zu dieser Zeit: Sport oder Tiere. Da ich als Sportprofi zu talentfrei war, ging ich während meines Jobpraktikums ins Tierheim. Ich hatte eine Menge Spaß beim Gassigehen mit den Hunden. Ich tat etwas Gutes und hatte großartige Erlebnisse, im Gegensatz zu meinen Schulkollegen, die ihre Zeit in einem Büro absitzen und so tun, als würden sie etwas lernen. 

Doch der Gedanke, mich im Sport niederzulassen, beschäftigte mich weiterhin. Wenn nicht Profi, dann zumindest das Sportbusiness. Also begann ich eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann im Sportfachhandel. Ich lernte, auf fremde Menschen zuzugehen und mit ihnen zu reden.

Ich entwickelte ein Gespür für meine Kunden und hatte viel Spaß dabei, Sportartikel an den Mann zu bringen. Ich wurde so gut darin, dass ich mit 22 Jahren Filialleiter eines Bergsporthandels wurde und laut meinen Vertretern der jüngste in dieser Branche in ganz Deutschland war. Ich musste mir meine Sporen verdienen, aber ich tat es äußerst geschickt. Aber was nun? Einen eigenen Laden aufmachen? In ein größeres Unternehmen wechseln? Nein, sicher nicht! Ich bin doch noch viel zu jung, und mein Leben hat mit Anfang zwanzig noch mehr zu bieten als das gute alte Hamsterrad. Ich wollte nicht von Wochenende zu Wochenende leben. 

Also nahm ich für acht Monate unbezahlten Urlaub und reiste mit meinem Surfboard, einem Zelt und Wanderschuhen im Gepäck für sechs Monate nach Neuseeland, danach Australien und Indonesien.

Alles nur, um herauszufinden, was da noch so alles im Leben auf mich warten könnte. Ich wollte herausfinden, wie ich auf fremde Menschen reagiere, die keine Sportartikel kaufen wollen. Ich wollte herausfinden, ob ich allein auf mich aufpassen kann. Damals gab es nämlich keine Smartphones oder Skype. Ich war allein und telefonierte maximal alle zwei Wochen abwechselnd mit meiner Mutter oder meiner Schwester. Ich hatte die Zeit meines Lebens. Ich war frei. Ich konnte mich selbst finden. Ich verarbeitete den Tod meines Vaters. Es war eine sehr prägende Zeit für mich. Ich war glücklich! 

Das Heimkommen war schwerer als gedacht. Ich freute mich auf meine Freunde und Familie, aber sollte es nun einfach wieder weitergehen wie vor der Reise? Das wollte ich nicht! Surfen wurde auf diesem Trip schon ein Teil meines Lebens. Ich erahnte es schon vorher, als ich vor der großen Reise einen Surfkurs in Frankreich machte. Ich spürte diese alles verändernde Faszination des Wellenreitens.

Mein altes Leben war Geschichte, Änderungen mussten her. Ich wollte diesen Zustand des „Flows“ immer haben. Warum löst dieses Surfen denn so viel in mir aus, dass ich sämtliche Sicherheiten im Leben bereit bin, aufzugeben? Ich fand die Antwort in meiner Kindheit…

Im Wasser fühlte ich mich immer wohl und geborgen. Mein Vater brachte mir früh das Schwimmen bei. Wir gingen fast jeden Sonntag im Winter in unser Hallenbad, das in der Nachbarschaft lag.
Danach kamen wir hungrig nach Hause, und meine Mama kochte etwas Leckeres. Am Abend machten wir oft einen Spaziergang und holten uns klassisch deutsch Currywurst mit Pommes, um im Anschluss „Das Traumschiff“ im Fernsehen zu schauen. Danach ging ich ins Bett und träumte vom Meer und fernen Ländern. Eines Nachts kroch ich ins Bett meiner Eltern und fing an, mit ihnen zu reden. Ich war neidisch auf meine Freunde, die im Sommer alle ans Meer fuhren. Ich hingegen hatte es noch nie mit eigenen Augen gesehen. Ich flehte meine Eltern an, mal ans Meer zu fahren. Ich wollte wissen, wie endlos das Meer ausschaut. Ich wollte erleben, wie sich Salzwasser auf der Haut anfühlt. Ich wollte testen, ob ich auch im Meer die Augen unter Wasser öffnen kann. Ich wollte richtige Wellen sehen, nicht nur die aus dem Erlebnisbad. All diese Erfahrungen wollte ich am eigenen Leib machen. 

Meine Eltern machten es eines Sommers wahr. Sie fuhren mit mir nach Spanien. Endlich wurde dieser Traum wahr, und ich kam ans Meer. Ich war augenblicklich überwältigt. Diese damalige Erfahrung sollte mein Leben von heute bestimmen. Damals wusste ich das alles noch nicht. Als Kind will man so schnell wie möglich erwachsen werden. Als Erwachsener sollte man eigentlich oft wieder zum Kind werden. Ich fuhr zwar weiterhin gern ans Meer, aber ich verdrängte meine kindliche Faszination. Bis zu diesem Surfkurs in Frankreich. Fünf Tage in Moliets-et-Maa, die mein Leben verändern sollten.

Da war sie wieder, meine Kindheit. Anstatt wie damals mit einer Luftmatratze in Spanien rauszupaddeln, hatte ich dieses Mal ein Surfboard unterm Bauch. Es hat mich gepackt. Surfen ist „mein“ Leben. Nach meinem Trip in Neuseeland wusste ich, dass ich nicht einfach ein Urlaubssurfer bleiben konnte. Ich wollte täglich surfen, und zwar so oft es nur irgendwie ging. Surfen sollte mein Lebensmittelpunkt werden. Ich wollte Leuten die Faszination des Surfens vermitteln. Endlich hatte ich nun eine Vision, Sport zu meiner Profession zu machen. Kein langweiliger Job im Büro. Menschen ein Gefühl von Freiheit zu geben, wie ich es erleben durfte, sollte nun mein Lebensmotto sein. Das Unterrichten fiel mir immer leicht. Ich genoss es, anderen Menschen das zu vermitteln, was ich selbst erlernt hatte. Schon als Teenager im Jugendrotkreuz leitete ich eine Erste-Hilfe-Gruppe mit Kleinkindern. Später förderte ich Kids und fuhr mit ihnen zu den Skateparks in der Gegend und zeigte ihnen die angesagtesten Plätze und Tricks beim Skaten.

Mein Entschluss stand fest! Ich bewarb mich in einem Surfcamp als Praktikant und wurde auch sofort akzeptiert. Es fühlte sich tief in meinem Inneren richtig an. Ich kündigte meinen Job und schmiss eine Abschiedsparty für meine Freunde. Meine Familie unterstützte mich zwar, war aber von der Idee nicht so begeistert.

Ich fuhr für ca. drei Monate nach Frankreich. Ich arbeitete als Surflehrer-Praktikant und unterstützte den Surfkurs. Es machte mir so wahnsinnig viel Spaß! Ich traf großartige Leute, ich lebte einen wahnsinnigen Lifestyle. Ich lebte das Surfen, und das spürte auch mein Umfeld. Ich war umgeben von den richtigen Leuten. Sie pushten mich, und ich traf eine Handvoll Leute, die mein Leben verändern sollten. Ich traf die damalige Mellowmove-Crew! Damals eine kleine eingeschworene Gruppe aus Freunden, die das Surfen ebenso liebten wie ich. Wir verstanden uns von Anfang an supergut, wie man es selten im Leben erlebt. Im Gepäck hatten sie einen Ausbilder für Surflehrer, der meine Eintrittskarte in die Selbstständigkeit als Surflehrer werden sollte. 

Diese kleine österreichische Community wurde meine zweite Familie. Ich wusste nun, warum ich das alles unbeirrt auf mich nahm. Ich sollte Menschen kennenlernen, die ich als Brüder ansehe. Ich sollte wenig später mit ihnen gemeinsam nach Portugal fahren, um ein Surfcamp aufzubauen. Ich sollte nach vielen Jahren des Verzichts und des einfachen Lebens von der Hand in den Mund Portugal meine Heimat nennen und ein geregeltes Leben führen. Ich bilde nun selbst Surflehrer aus und treffe hunderte Menschen jedes Jahr, die genauso wie ich das Surfen für sich entdecken.

Habt ihr euch eigentlich schon mal die Frage gestellt, ob euer Lebensweg vielleicht schon irgendwo geschrieben steht? Warum lebt ihr euer Leben so, wie ihr es tut? Sucht einmal nach diesen Antworten tief in eurer Vergangenheit. Vielleicht liegen dort Gründe, tief vergraben mit euren tiefsten Wünschen, Hoffnungen und Verlangen als Kind, die nun an der Oberfläche als Pflanze leben und weiter blühen, gedeihen und vielleicht irgendwann eigene Früchte tragen oder als erhabener Baum am Wegesrand stehen und allen Einflüssen trotzen. Es ist nie zu spät, sein Leben zu ändern. Man sollte sich selbst und seinem Bauchgefühl viel häufiger trauen. 

Wir leben viel zu sehr in der Vergangenheit oder auch in der Zukunft. Wir beschäftigen uns mit Dingen, die bereits passierten oder noch passieren könnten. Diese Gedanken blockieren uns allzu oft. Die Vergangenheit braucht uns aber nicht mehr. Wir sollten im Hier und Jetzt leben, denn dann wird in der Zukunft unsere Vergangenheit besser aussehen, als sie es vielleicht gerade tut. Mit diesem Schlusssatz verabschiede ich mich von euch, bis zu den nächsten Surf Diaries.

Stay tuned,
Pete 

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